Elf Jahre war Superintendentin Bärbel Wallrath-Peter für die Kirchengemeinden im Amtsbereich Hannover-Mitte ebenso zuständig wie für den Stadtjugenddienst oder die Familienbildungsstätte. Jetzt wird sie mit einem feierlichen Gottesdienst am Sonntag, 27. Oktober, um 15 Uhr in der Markuskirche in den Ruhestand verabschiedet. Die Hildesheimer Regionalbischöfin Dr. Adelheid Ruck-Schröder nimmt die Entpflichtung vor.
„Es waren gesellschaftlich turbulente Jahre“, sagt Wallrath-Peter und nennt insbesondere den verstärkten Zustrom von Flüchtlingen, den erstarkenden Rechtsextremismus oder die Corona-Zeit. Die Kirche sei vielfältig gefordert gewesen, mit diakonischer Hilfe für die Geflüchteten, einer klaren Haltung angesichts der Pegida-Bewegung und dem kreativen Umgang mit geschlossenen Kirchen und vereinsamten Menschen während des Lockdowns. Innerkirchlich galt es, auf die steigenden Austrittszahlen auch durch Strukturveränderungen zu reagieren. „Bei meinem Amtsbeginn im Oktober 2013 zählte mein Amtsbereich 24 Kirchengemeinden, jetzt sind es 19“, sagt die Theologin. In den vergangenen drei Jahren hätten einige Kirchengemeinden fusioniert, die Vahrenwalder Heilig-Geist-Kirche wurde an den Knabenchor verkauft und die Lindener Gerhard-Uhlhorn Kirche ist nun ein Studentenwohnheim. „Wir freuen uns immer, wenn es eine Nachnutzung von Kirchen gibt, bei der kulturelle oder gemeinschaftsfördernde Aspekte im Mittelpunkt stehen“, sagt die Superintendentin.
Lange Zeit war Wallrath-Peter im vierköpfigen Leitungsteam des Kirchenkreises Hannover die einzige Frau, im vergangenen Jahr hat sie mit Meike Riedel im Amtsbereich Hannover-Ost eine Kollegin bekommen. Landeskirchenweit gebe es unter den 50 Superintendenten nur 15 Frauen, stellt Wallrath-Peter bedauernd fest: „Frauen haben immer noch zu wenig Macht in der Kirche.“ Das gelte besonders für Führungspositionen, in der Pfarrerschaft sei das Verhältnis von Frauen und Männern relativ ausgeglichen. Trotzdem bescheinigt sie ihrer Kirche Wandlungsfähigkeit. So sei im Laufe ihres Berufslebens beispielsweise die Haltung gegenüber Menschen, die sich dem LGBTQ-Spektrum zurechnen, toleranter geworden, das betreffe auch die Mitarbeiterschaft. Kirche wandele sich, auch wenn dies in der Öffentlichkeit nicht immer bemerkt werde. „Die Institution Kirche wird zwar kleiner, aber die Menschen, die bleiben, sind ihr stärker verbunden“, beobachtet die Theologin bereits jetzt. Die Kraft, den Wandel zu gestalten, traut sie ganz besonders den Ehrenamtlichen in der Kirche zu, „denn sie bringen ihre Erfahrungen aus gänzlich anderen Gesellschaftsbereichen ein und halten sich dennoch an das Wort der Bibel“.
Gesellschaftlichen Gegenwind spüre die Kirche auch durch die Enthüllung des bisher nicht bekannten Ausmaßes an verübter sexueller Gewalt durch Mitarbeitende. „Es muss weiter offen darüber gesprochen werden“, fordert die Superintendentin, die in der „kirchlichen Harmoniesucht“ auch ein Hindernis für die Aufdeckung sexueller Gewalt sieht. Und es ist ihr wichtig, den Blick auf die Stärkung von Kindern und Jugendlichen zu richten. „Zu Schutzkonzepten sollten auch Kurse in Selbstbehauptung und Selbstverteidigung für junge Menschen gehören“, regt sie an. „Nur lieb und nett sein zu wollen oder zu müssen, das funktioniert nicht.“
Ihre Rolle als Superintendentin hat Wallrath-Peter als Begleitung der rund 120 Hauptamtlichen in ihrem Amtsbereich verstanden. „Ich wollte für Strukturen sorgen, in denen sie gut arbeiten können“, blickt sie zurück. Dazu gehöre beispielsweise auch die Fürsorge für PfarrerInnen, die „immer geben und für andere da sein müssen“. Und die „Geburtshilfe“ für neue Projekte, wie zum Beispiel ein Zentrum für populäre Kirchenmusik, das in der Gospelkirche angesiedelt ist. Gern erinnert sie sich auch an ihre vielen Betriebsbesuche, darunter auch bei namhaften Großunternehmen. Für die Superintendentin war das ein „Schritt aus der Kirchenblase“ heraus und eine wechselseitige Begegnung unterschiedlicher und oft gegensätzlicher Weltsichten. Begegnung und gesellschaftliches Engagement werden auch in ihrem Ruhestand wichtige Ankerpunkte bleiben, ist sich Wallrath-Peter sehr sicher, „aber dann ohne ein Muss“.
Information: Der Verabschiedungs-Gottesdienst in der Markuskirche beginnt am Sonntag, 27. Oktober, um 15 Uhr. Die Predigt hält Superintendentin Bärbel Wallrath-Peter. Musikalisch begleiten der Posaunenchor der St. Thomas-Gemeinde Oberricklingen, Johannes Begemann am Flügel und die Jugendband Band Base aus der Jugendkirche den Gottesdienst.